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Wissenschaftliche Propaganda

Ich gebe es offen zu: Ich bin wissenschaftlicher Propagandist.

Zum Journalisten, insbesondere Wissenschaftsjournalisten tauge ich nicht. Aber ich verbreite gerne deren Werke, ich propagiere sie. Ich selbst bin wissbegierig, neugierig und zumindest in Ansätzen wissenschaftlich literat. Würde ich ein paar Jahrhundert in die Vergangenheit versetzt werden, ich könnte vielleicht als Universalgelehrter herhalten.

Aber das Lesen könnte ich ja auch allein und im stillen Kämmerlein machen und euch alle unbehelligt lassen. Aber das will ich nicht, weil ich denke, dass eine breitere Kenntnis über das, was in der Wissenschaft so vor sich geht, für die Gesellschaft als ganzes gut ist. Ich mag in nicht wenigen Situation oberlehrerhaft rüberkommen, aber ich kann euch versichern, dass mir die didaktische Ausbildung zum Lehrer fehlt. Nein, vielmehr möchte ich meine Freude an Wissen und Wissenschaft teilen. Ich habe da ganz klar meine Vorlieben – Meere und Meereslebewesen interessieren mich jetzt nicht so dolle. Weltall und Physik liegen weit vorne. Dicht dahinter kommen Medizin und Chemie. Biologie ist ein wenig abgeschlagen. Geschichte ist problematisch, da sie stark Interpretationen unterworfen ist – harte Fakten sind eher die Ausnahme denn die Regel. Das gleiche mit Politik.

Ich freue mich über Menschen, die mich mit Beiträgen aus ihren eigenen Interessensgebieten versorgen, die eine Vorauswahl treffen und das dann in die sozialen Medien bringen. Noch mehr freue ich mich über diejenigen in den sozialen Medien, die zu schätzen wissen, was ich so teile.

Es ist nicht nur persönliche Bestätigung, auch wenn ich ihre Wirkung durchaus zu schätzen weiß. Denn mehr noch befriedigt mich der Gedanke, dass ich die Welt ein kleines bisschen besser mache mit jeder und jedem, die oder der die von mir geteilten Beiträge liest und ein klein wenig daraus mitnimmt. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir als Gesellschaft, als Menschehit, als Gemeinschaft nur weiterkommen, schaffen wir ein Umfeld, in dem wissenschaftliche Erkenntnisse möglichst weite Verbreitung haben. Damit einzelne Menschen herausragende Leistungen vollbringen können, müssen sie gestützt werden von einem Sockel an wissenschaftlicher Offenheit und Belesenheit.

Daher rühren auch andere meiner Positionen: Ich bin kein Freund von Gymnasien, denn auch wenn die Schülerinnen und Schüler dort vielleicht Spitzenabschlüsse erlangen können, schaffen Gymnasien eben keine breite, wissenschaftliche Bildung, da den Schülerinnen und Schülern der anderen Schulzweige der Kontakt zu den Top-Performern fehlt. Ich wage die Behauptung, dass Top-Performer in einem Umfeld mit solidem wissenschaftlichen Sockel mehr leisten könnten, als diejenigen, die noch bessere Abschlüsse erreichen könnten, aber in einem Umfeld weitgehenden Wissenschaftsanalphabetismus arbeiten müssen. Aus dem gleichen Grund halte ich wenig von sogenannten Elite-Universitäten oder Leuchtturmprojekten. Aber ich vermute, solange schon bei den Schulen eine Vorauswahl getroffen wird, ist Kritik an Elite-Einrichtungen witzlos.

Ich mag freies Wissen. Projekte wie die Wikipedia haben vermutlich mehr beigetragen zur Allgemeinbildung als alle Volkshochschulen zusammen. Auch deswegen finde ich, dass viele Gesetze mehr Rücksicht nehmen sollten auf unsere mentale, kulturelle und akademische Allmende.

Wissenschaft und Wissenschaftsjournalismus vermittelt aber auch, wie wunderbar und vielseitig unsere Welt ist, und damit meine ich nicht nur unsere Welt, sondern alles, das Weltall. Ich weiß, dass Menschen spirituelle Bedürfnisse haben (ich sicher auch), und ich finde, es gibt vieles zu entdecken, was auch von spirituellem Wert ist. Dafür braucht es kein Gedankengebäude von fragwürdiger Kohärenz, geschaffen von Menschen, die auf einen deutlich beschränkteren Fundus an Wissen zurückgreifen konnten. Der ständige Prozess des Zweifelns und der neuen Erkenntnis macht bescheiden und demütig – die Sicherheit von heute kann morgen schon widerlegt sein, Wahrheiten gibt es immer nur für den Augenblick. Ich kann auch nachvollziehen, dass Menschen mit Sicherheitsbedürfnis von der wissenschaftlichen Methode eher abgeschreckt sind. Aber ich sehe es als Vorteil: Die Welt ist zu komplex, um sie mit einfachen und statischen Erklärungen begreifen zu können. Wenn wir das akzeptieren lernen, wenn wir das zu leben lernen, reifen wir als Gemeinschaft.

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